Zum Tode unseres Kollegen, HJF-Preisträgers und Vereinsmitglieds Gerd Ruge:

„Wir haben ein bisschen gelacht, wir haben ein bisschen geweint…“

Eine Erinnerung an den großen Reporter und Kollegen Gerd Ruge.

Von Thomas Roth

Wenn geschossen wird und schwere Gefechtspanzer durch die Stadt fahren sollte man Angst haben. Ich hatte Angst. Besonders damals in der zweiten Nacht des Putsches in Moskau im August 1991. Gerd Ruge hatte keine. Er behielt ganz einfach die Ruhe. Wie immer. Wir standen in jener dramatischen Nacht mit einem Kameramann, der eigentlich ein Tonmann war, am Moskauer Gartenring, einem großen Boulevard im Zentrum der Stadt. In dieser Nacht starben drei junge Leute durch Querschläger oder von Panzern überrollt und in Wahrheit begann schon in dieser Nacht das Ende der einst so mächtigen Sowjetunion.

Gerd Ruge berichtete viele Stunden live mit großer Kenntnis und mit ebenso großer Besonnenheit von den Moskauer Geschehnissen. Vom Aufstieg wie vom Niedergang Michail Gorbatschows, den er sehr gut kannte und schätzte, und den gewaltigen Veränderungen im östlichen Europa. Wie zuvor auch schon aus den USA und aus China. Ruge war stets geprägt von sehr großer Kenntnis der Länder, aus denen er berichtete – er ist vielleicht der belesenste Journalist, den ich je kennengelernt habe - , aber er stand nie über den Dingen. Schon gar nicht über den Menschen. Er konnte die Menschen mit ein paar knappen Worten ´aufschließen´ - ob in der Eiseskälte im tiefsten Sibirien oder irgendwo im Süden Afrikas. Die Menschen dort, aber auch die deutschen Zuschauer haben ihm zutiefst vertraut. Zurecht. Und das ist das höchste Gut, das ein Journalist in einem Journalistenleben erreichen kann. Die heute soviel diskutierte „Haltung“ zu haben war für ihn keine theoretische Kategorie, sondern eine Selbstverständlichkeit. Es ist kein Zufall, dass er zu den Mitbegründern von „Amnesty International“ gehörte und das nicht als Widerspruch, sondern als selbstverständliche Ergänzung zu seiner journalistischen Arbeit sah. Obwohl kritischer Journalist war er eben zugleich von einer tiefen Humanität geprägt, die man bei ihm auch im Alltag spürte, wenn man das Glück hatte ihn über eine längere Zeit dabei erleben zu dürfen.

An dem Tag als in Moskau klar wurde, daß der Putsch endgültig zusammengebrochen und der Weg zurück in den Betonkommunismus verschlossen war, wurde Ruge live im ARD Fernsehen gefragt, was er denn dann getan habe. Und, ganz Ruge, antwortete er fast schon beiläufig, dass er sich mit russischen Freunden getroffen habe. Zusammen „haben wir ein bisschen gelacht und ein bisschen geweint!“

Vielleicht erinnert man ihn mit dieser Haltung am besten. Ein wenig lachend und ein wenig weinend.