Kölnische Rundschau

Kölnische Rundschau - Köln, 24.10.1998

ARD-Korrespondent Hans-Josef Dreckmann, 60, lehnt spektakulären Sensations- und Kriegsjournalismus ab

„Ich mag die Menschen Afrikas“

Von Klaus Pesch

Frühmorgens in einem Kölner Cafe: Hans-Josef Dreckmann bestellt sich weder Kaffee noch Tee, sondern ordert ein Glas Milch. Der Afrika-Korrespondent der ARD kommt in der Regel nicht so leicht an das Getränk wie jetzt bei seinem Aufenthalt in der Domstadt. Das möchte er ausnutzen. Ansonsten fühlt Dreckmann sich ein wenig unbehaglich: Schließlich soll er in wenigen Stunden. vor den laufenden Kameras seines Heimatsenders WDR für seine engagierte Arbeit' während der Flüchtlingskatastrophe in Zaire mit dem Hanns-JoachimFriedrichs-Preis für Fernsehjournalismus ausgezeichnet werden - ein Rummel, der ihm nicht so recht behagt.

„Ich mag diesen Kontinent und seine Menschen, solange sie keine Kalaschnikoff in der Hand haben", beschreibt Dreckmann sein Verhältnis zu Afrika. Gemeinsam mit Ehefrau Heidegret, einer freien TV-Journalistin, arbeitet und wohnt er in Kenias Metropole Nairobi. Seine drei erwachsenen Söhne leben in Deutschland. Zuständig ist der ARD-Korrespondent für 42 Länder. „Zu glauben, man könne alle gleich sorgfältig beobachten, ist völlig illusorisch", gesteht Dreckmann sich ein. Krisenherde bestimmen nun mal die Schwerpunkte. In diesem Jahr waren das Ruanda, Kongo, Burundi und Uganda. Aber auch ein schwelender Konflikt zwischen Eritrea und Äthiopien ist zur Zeit wichtig. „In Westafrika war ich in diesem Jahr überhaupt noch nicht", bemerkt er.

Dabei sind es gar nicht unbedingt die vom journalistischer Zwang zur Aktualität bedingten Themen, die Dreckmann reizen. „Ich bediene kein Sensationsbedürfnis. Ich bemühe mich, zu informieren und die Dinge einzuordnen." Mit einer Berichterstattung, die lediglich der Aktualität verpflichtet sei, werde „dem Kontinent entsetzlich unrecht getan". Solche Sendungen, in denen lediglich kriegerische Auseinandersetzungen, Hungersnöte und Seuchen thematisiert werden, könnten in den Köpfen der Zuschauer einen fatalen Effekt erzeugen: „Eigentlich muß man das Land abschreiben. Das ist doch einhoffnungsloser Fall", könnten die Menschen sich sagen, befürchtet Dreckmann. Er selbst ist da ganz anders gestrickt: Aktiv unterstützt Dreckmann eine Schule in Nairobi, die sich um 130 Straßenkinder kümmert.

Und doch wird auch der ARD-Korrespondent bei seiner nicht ungefährlichen Arbeit von den Anforderungen des Tagesjournalismus gehetzt. So wollte er im August drei Wochen lang kontinuierlich über den Alltag im ostafrikanischen Tansania berichten. Dann kam es zu den Bombenattentaten auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam mit mehr als 200 Todesopfern. Das anspruchsvolle Projekt mußte abgebrochen werden, die Krisenberichterstattung ging vor. Doch auch in solchen Momenten schafft er es, ruhig und unaufgeregt zu informieren.

Der technische Fortschritt macht es immer einfacher, via Satellitenübertragung direkt vor Ort live zu berichten. Dreckmann findet das allerdings sehr problematisch: „Wollen wir denn wirklich von Mord- und Totschlag live berichten?" fragt er. Bei den jüngsten Unruhen in Kinshasa habe er Bildmaterial zur Verfügung gehabt, das die Ermordung eines Menschen zeigte. Er habe zwar darüber berichtet, den eigentlichen Mord den Zuschauern aber nicht zugemutet (das ZDF zeigte es, heftigst dafür kritisiert). Bei Live-Sendungen gebe es den Abstand des Journalisten zum Thema häufig nicht mehr, da könne vorab nichts mehr abgewogen werden.

Am Zwang zur Aktualität reibt Dreckmann sich nicht zum ersten Mal. Bereits von 1980 bis 1987 berichtete er als Korrespondent aus Nairobi. In diese Zeit fielen -die Kriegswirren in Eritrea, Angola, Mozambique und Uganda. „Als ich das erste Mal aus Afrika wegging, habe ich gedacht, ich habe nun mein Soll an Bürgerkrieg, Not und Elend erfüllt", erzählt Dreckmann. Er kehrte damals als stellvertretender Leiter der Programmgruppe Ausland nach Köln zum WDR zurück. 1992 löste er dann Thomas Roth im Moskauer Studio ab. Doch auch da gab es wieder Bürgerkrieg an allen Ecken": In Moldawien, Georgien, Armenien und Aserbaidschan sprachen die Waffen. Als beim zweiten Putsch gegen Jelzin in Moskau das Weiße Haus in Brand geschossen wurde, war das ein Schlüsselerlebnis für Dreckmann. Das ARD-Studio befindet sich gegenüber dem Gebäude, dazwischen fließt die Moskwa. Man brauchte lediglich eine Kamera aufzustellen, um stets aktuell vom Geschehen berichten zu können. Damals habe er irgendwann einmal gedacht: „Ver¬dammt noch mal, was machst du hier eigentlich? Du hast ja kaum noch Zeit., mal auf die Straße zu gehen", erzählt Dreckmann. Nach Afrika zurückgegangen sei er auch ein bißchen in der Hoffnung, dem aktuellen Druck ausweichen zu können. Doch davon kann keine Rede sein. Mittlerweile haben die großen Nachrichten-Agenturen den Kontinent als lukrativen Nachrichten-Lieferanten entdeckt. Der Zwang, schnell und aktuell zu berichten, ist größer geworden.

Der Korrespondent verweist auf die Berichterstattung über das tödliche Ebola-Virus: Den Krankheitserreger habe es schon immer gegeben, doch weil sich eines Tages ein Nachrichtenloch aufgetan habe, ein entsprechender Film gedreht worden sei und zufälligerweise zum ersten Mal zwei Weiße daran starben, sei es zum Medienereignis geworden.

Daß ein Afrika-Korrespondent ein erhebliches Reise-Pensum hat, versteht sich von selbst. Doch wo fühlt Hans-Josef Dreckmann sich zu Haus, wo sieht er seine Heimat? Etwa in Mülheim, wo der 1938 in Oberhausen geborene Arbeitersohn aufgewachsen ist? „Ich lebe nun mal in Afrika, und wenn ich nach Deutschland komme, dann mach ich das so kurz wie möglich", sagt Dreckmann, der mit seiner Frau Heidegret eine Zeitlang in Troisdorf gelebt hat, ohne Sentimentalität. Eine richtige Heimat habe er nicht.

Gerade hat der 60jährige Journalist seinen Afrika-Vertrag his zum Jahr 2001 verlängert. Danach will er dem Beruf ade sagen und mit seiner Frau auf Reisen gehen. Wohin? Afrika, Asien, Kanada, es gäbe da noch eine Menge Pläne, sagt Dreckmann.