Prof. Mojib Latif - Laudator 2019

Laudatio von Prof. Mojib Latif, Klimaforscher an der Universität Kiel, anläßlich der Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises für Fernsehjournalismus am 14. November 2019 in den Studios des WDR in Köln.

"Liebe Preisträger, meine sehr verehrten Damen und Herren,

Klimawandel! Klimawandel ist mein Leben, obwohl es das ja eigentlich gar nicht sein sollte, denn wir hätten ja schon vor Jahrzehnten anfangen können, die Ergebnisse der Wissenschaft ernst zu nehmen und sie nicht einfach zu ignorieren. Wir als Wissenschaftler müssen immer den goldenen Mittelweg finden zwischen Panikmache auf der einen Seite und Verharmlosung auf der anderen Seite. Und ich sage es deswegen, weil das eben auch für die Medien gilt. Und ich denke unsere beiden Preisträger, die haben das geschafft. Diesen, auf der einen Seite, Mittelweg zwischen Panikmache und Verharmlosung hinzubekommen. Und auf der anderen Seite eben auch Wissen – belastbares Wissen – zu kommunizieren. Und das in einer Art und Weise, dass man nicht gleich abschaltet. Das ist nämlich der Punkt.

Bei der Vorbereitung auf diese Laudatio dachte ich: „Ja, was machst du denn nun?“ Ich mein, die Beiden haben so viele Sachen gemacht. Das hat mich fast überwältigt. Ich wusste natürlich vorher schon, dass sie so viele Sachen gemacht haben. Und dann bin ich einfach mal ins Internet gegangen und hab mal geschaut, was finde ich da zum Thema Klimawandel. Das ist mein Fach, da kenne ich mich gut aus und dann gucke ich mal, was die da so erzählen. Und dann habe ich zwei YouTube-Videos gefunden. Eins von Frau Kim und eins von Herrn Lesch. Und ich will Ihnen einfach mal erzählen, wie diese YouTube-Videos aufgebaut sind. Die haben mich fasziniert, weil sie so gut gemacht sind und bestimmte Probleme, vor denen wir heute stehen, in einer Art und Weise darstellen, dass man tatsächlich auf einmal merkt, wo die Fallstricke sind und dass man eben nicht immer alles so uneingeschränkt glauben kann, was den ganzen lieben Tag so einprasselt auf uns an Informationen. Und Frau Kim hat es in dem Einspieler auch gesagt: „Wir werden überflutet mit Informationen und wissen am Ende gar nicht, was kann man denn eigentlich glauben und was nicht.“ Und das geht mir ja ganz genauso, das geht uns allen so. In unserem Fach sind wir gut, aber in all den anderen Fächern wissen wir ehrlich gesagt auch nicht so viel. Und wir sind angewiesen auf belastbare Informationen.

Mai Thi Nguyen-Kim hat ein YouTube-Video online, das ist ein Auftritt bei dem Bullshit-Slam. Da geht es darum: wer erzählt den besten Bullshit. Da hat sie mal ein bisschen das Internet aufs Korn genommen. Eben genau das, was wir heute diskutieren. Und sie erfindet – ich nehme an, dass sie das erfunden hat – sie erfindet einen imaginären Mitbewohner – ich glaube er heißt Arne, wenn ich das noch richtig erinnere. Und dieser Arne ist ein Nerd. Der ist ein Wissenschaftler und sie weiß nicht so ganz genau, was der macht, aber er erzählt wohl immer irgendwelche hochgeistigen Dinge. Zum Beispiel zum Klimawandel. Dass 97 Prozent aller Klimawissenschaftler der Meinung sind oder herausgefunden haben, dass die Hauptursache der Erderwärmung der Mensch ist. 97 Prozent! Und dann sagt sie: „Ja, hmm, 97 Prozent beeindruckend. Aber: wie viele Klimaforscher gibt es denn Überhaupt? Vielleicht 0,1 Prozent der Weltbevölkerung? Das heißt also, wir sind dann bei 0,097 Prozent der Weltbevölkerung. Und dann sagt sie: Nee! Das ist doch nicht repräsentativ. Also gehen wir doch mal ins Internet und fragen mal: Klimawandel – Fakt oder Fiktion? Ja und was war das Ergebnis: 50 – 50. Und das ist doch mal eine repräsentative Umfrage und ein demokratisches Verfahren um die Wahrheit zu ermitteln.“ Und damit hält sie uns ja so ein bisschen den Spiegel vor. Und die Zuschauer – das können sie hier jetzt nicht sehen – die Zuschauer haben sich gekrümmt vor Lachen, als sie diese Art der Wissensbildung vorgeschlagen hat.

Sie nimmt auch uns Wissenschaftler aufs Korn was ich richtig finde. Da ist dann so ein Bild, da ist auf der linken Seite eine wissenschaftliche Publikation. Und auf der rechten Seite ist da irgendwas wie Bild Online oder so, mit dicken Überschriften. Und wenn man das mal vergleicht, die Sprache vergleicht, da versteht man natürlich Bahnhof bei der wissenschaftlichen Publikation, während Bild Online – hat ja ne einfache Sprache, plakativ, da steht nicht viel drauf – in großen Lettern wie „Die Klima-Lüge“. Und dann sagt sie eben auch: „Vielleicht wollen die Wissenschaftler a gar nicht, dass wir sie verstehen.“ Und dann zeigt sie eine Abbildung aus dieser wissenschaftlichen Publikation – und unsere Abbildungen sind natürlich völlig unleserlich für Fremde. „Was ist das denn? Da sieht man denn irgendwelche Flecken in einem Diagramm – also, es ist wirklich absolut unverständlich.“ Und damit fordert sie uns gewissermaßen auf, doch so zu kommunizieren, dass man uns verstehen kann.

Sie tut es – Harald Lesch tut es auch – und insofern sind die beiden absolut richtig für den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis.

Harald Lesch hat auch ein schönes Video gemacht. Da geht es um ein Thema, das ist unter dem Begriff Geo-Engineering oder Climate-Engineering bekannt. Das geht ja ganz einfach: „Warum sollen wir denn eigentlich was ändern? Ist doch dumm, es geht uns so gut, alles wunderbar, dann versuchen wir doch das technisch zu lösen.“ Der Titel dieses Videos heißt: „Stratosphärenschirm gegen den Klimawandel - Gute Idee?“ Ist übrigens ganz neu, von letztem September. Er macht einem erstmal Glauben, dass das eine gute Idee ist. Er fängt dann an mit Smog. Wolfgang Menge – erinnern sich vielleicht noch, wir hatten in den 70er Jahren ja Smog. Jetzt sehe ich hier in viele junge Gesichter, die wissen es wahrscheinlich gar nicht mehr. Aber man konnte kaum atmen, durch die Kohlekraftwerke, den Schwefelausstoß, die Kraftfahrzeuge, usw.. Wolfgang Menge hat den Film Smog gemacht und dann hat man auch gehandelt. Wir wissen auch heute, dass das die Erde eben etwas abkühlt. Also die Erderwärmung würde sehr viel stärker sein, wenn wir nicht den Dreck in der Luft hätten. Und dann überlegt er sich: „Ja Mensch, ist doch eine super Idee, dann sollten wir mehr Dreck in die Luft blasen – aber nicht hier unten, das wollen wir a nicht. Sondern da oben in der Stratosphäre irgendwo, oberhalb von 15, 20 Kilometer. Da tun wir das Zeug rein. Und das würde dann so kleine Schwefelsäure-Tröpfchen produzieren, wenn man Schwefel reintut. Und das würde das Sonnenlicht blockieren und dann würde es ein bisschen kälter werden – wunderbar.“ Und dann sitz er da und sagt: „Hm. Was passiert denn, wenn das Zeug da oben ist? Irgendwie kommt das so langsam nach unten. Und da unten ist Wasser. Und dann verbindet sich das mit dem Wasser und dann wird das zu Schwefelsäure. Und dann haben wir auf einmal sauren Regen.“ Und dann überlegt er: „Was ist denn da oben noch so? Die Ozonschicht.“ Und ohne jetzt ins Detail zu gehen, das würde die Ozonschicht anknabbern. „Jetzt haben wir das gerade das Montrealer Protokoll. Und fangen dann wieder an der Ozonschicht den Garaus zu machen, indem wir da oben Schwefelpartikel reintun.“ Und dann noch etwas Ästhetisches: „Was ist denn mit dem blauen Himmel, wenn auf einmal alles so gräulich wird? Wollen wir das eigentlich wirklich?“ Und zu guter Letzt geht er noch auf erneuerbare Energien ein: „Sonnenenergie – haben wir ja eigentlich im Überfluss. Wollen wir den Himmel jetzt verschleiern, damit unsere Solaranlagen weniger effektiv werden? Damit der Wirkungsgrad kleiner wird?“

Und so kommt man dann letzten Endes von einer guten Idee – die Überschrift war ja „Stratosphärenschirm gegen den Klimawandel - Gute Idee?“-, aber dann nimmt er das Stück für Stück auseinander. Und dann sagt er zum Schluss – und das kann ich nur unterstreichen -: „Das jetzige System ist so komplex, wir sollten nicht mit ihm herumexperimentieren, denn wir wissen nicht was wir tun, im wahrsten Sinne des Wortes. Und deswegen sollten wir auch nicht immer mehr CO2 in die Atmosphäre pusten, weil wir wissen am Ende eben nicht genau was passiert.“

Ich kann nur sagen: ich hatte eine Riesenfreude bei der Recherche zu dieser Laudatio, hab diese Videos X Mal angeguckt, weil ich sie so gut fand, obwohl ich selbst so gut wie keine YouTube Videos mir ansehe, aber das war wirklich eine wahre Freude. Und deswegen kann ich sagen, von ganzem Herzen, ich wüsste niemand besseren als Mai Thi Nguyen-Kim und als Harald Lesch, die den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2019 hätten. Herzlichen Glückwunsch!"